Doerte Letzmann
Im Erdgeschoss der Webergasse 39 sind noch die Flecken der Druckmaschinen auf dem Boden zu sehen, die Spuren der Unionsdruckerei, die hier bis vor kurzem zu Hause war. Der leere Raum wird nun umgenutzt – und mit grosser Kunst gefüllt.
Denn bis Sommer nächsten Jahres hat die Galerie für Gegenwartskunst einen Teil der Räumlichkeiten angemietet. Galerist und Galeristin sind Thomas Tito Greuter und Franziska Dubach.
Die beiden hatten Glück: Vermieter Bernhard Ott suchte nach einer Zwischenlösung für die sonst ungenutzten Räumlichkeiten. Dubach und Greuter mussten nicht lange überlegen, denn die Idee für eine Galerie hatten die beiden Kunstschaffenden schon länger. «Wir wollen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, ihre Werke zu zeigen», erklärt Franziska Dubach. Oft sei es für sie schwierig und kostspielig, einen Ausstellungsraum zu finden. Das Konzept der Galerie für Gegenwartskunst ist daher, die guten Mietbedingungen an die Künstlerinnen weiterzugeben. Dafür, dass ihre Werke ausgestellt werden, müssen die Kunstschaffenden nur einen geringen Betrag an die Galerie abtreten. Für die erste Ausstellung ist es sogar gratis.
«Wir sind ein non-Profit-Unternehmen», betont Dubach. Die Galerie sei ein Hobby, an dem sie selbst nichts verdienen würden, sagt die Bildhauerin, die früher im Lehrberuf tätig war.
Grosse Kunst
Doch obwohl die beiden Kreativen die Ausstellungsräume nur nebenbei betreiben: Ihre Ansprüche sind nicht klein. Ihre Auswahlkriterien entsprechen jenen einer etablierten Galerie. Gezeigt werde ausschliesslich professionelle, qualitative und zeitgenössische Kunst, sagt Dubach.
Wie ein Hobby wirken die Werke der ersten Ausstellung, die ab dem 4. August bis zum 10. September zu sehen sind, jedenfalls nicht. Vielmehr konnten Dubach und Greuter gleich mit der ersten Ausstellung grosse Namen der Schaffhauser Kunstszene gewinnen – und damit ihrem eigenen Anspruch gerecht werden. So sind Werke von Vincenzo Baviera und Ruedi Mösch, Ursula Goetz, Carlo Domeniconi, Tobias Mattern, Iris Michel und Velimir IliŠević zu sehen.
Hier fügen sich Ort und Kunst zusammen, denn die ausgewählten Werke kommen in der alten Druckerei mit ihrem industriellen Charakter besonders gut zur Geltung. Vom Trasadinger Maler Tobias Mattern ist etwa ein überdimensioniertes, drei Meter breites Ölgemälde mit einem Naturmotiv in weichem grün ausgestellt.
Im Kontrast dazu stehen die kräftigen, geometrischen Bilder der in Feuerthalen geborenen und international bekannten Grafikerin und Malerin Ursula Goetz, die auch im Museum zu Allerheiligen bereits ausstellte. Die Galerie für Gegenwartskunst zeigt gleich sechs grössere und kleinere Werke der Künstlerin, die alle einem ähnlichen Motiv folgen: Mit Linien, Strichen und Streifen schafft die Künstlerin eine Ordnung, welche immer wieder durchbrochen wird. Ihre Verwendung von tiefen, matten Blau- und Rottönen – und das Schwarz, das in Goetz’ Schaffen einen bedeutenden Platz einnimmt – unterstützen diesen Effekt.
Velimir IliŠevićs Gouachen «Deutsche Fenster» sind in der Dimension wesentlich
kleiner, aber in der Wirkung ebenso intensiv. Seine bunten, spielerisch-assoziativen Bilder
von Fensteraussichten vermitteln der Betrachterin einen Einblick in sein Erleben. Der bekannte Künstler war lange in Schaffhausen tätig, lebt aber heute in Berlin.
In der Galerie sind ausserdem gleich fünf der expressionistischen und surreal
anmutenden Bilder des Schaffhauser Kunstmalers Carlo Domeniconi zu sehen.
Dominierend in der Ausstellung ist aber
die Skultpur Prometheus, ein gemeinsames Werk der beiden Künstler Vincenzo Baviera und Ruedi Mösch. Schon die Anlieferung der mehrere Meter langen Skulptur war eine logistische Herausforderung. Jetzt füllt
eine grosse Wippe oder Schaukel aus industriellen Metallstreben einen grossen Teil des Galerieraumes.
Auf der Schaukel thront eine schwere, steinerne Figur. Sie ist auf einem Wagen angebracht,
der auf Schienen fährt und mit einem Hebel bewegt werden kann. Betätigt man den Hebel, rollt der Wagen samt Figur los und bewegt die Wippe. Die Besucherinnen können hier selbst Hand anlegen: «Die Kunst soll benutzt werden»,
sagt der Künstler Baviera selbst dazu.
Die Schaukel ist aufwendig konstruiert. Sie
wirkt wie der Teil eines Krans, der zweckentfremdet wurde. Der daraus entstandene Industrial Chic passt gut in die Räume einer ehemaligen Druckerei, aber der Prometheus ist nicht
nur Deko. Vielmehr stellen sich in seiner Gegenwart der Betrachterin und Benutzerin ganz elementare Fragen über die Bedeutung des technologischen Fortschritts. Die wippende mythologische Figur steht dabei exemplarisch
für die Widersprüchlichkeit des Fortschritts. «Prometheus brachte das Feuer, aber
das Feuer gerät ausser Kontrolle», erklärt dazu Vincenzo Baviera.
So gesehen passen der griechische Gott und die Fragen, die er aufwirft, exakt
in das Galeriekonzept. Denn Dubach geht es
darum, Werke auszustellen, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen. Dabei sei die Kernfrage der zeitgenössischen Kunst: «Wo bringt sie uns hin? Sollten wir uns auf das Elementare zurückbesinnen?», erklärt sie.
Zukunftspläne
Die hohe Qualität der Werke wollen die Galeriebetreiberinnen auch in zukünftigen Ausstellungen fortsetzen. Nach Ende dieser Ausstellung sollen Werke der Künstlerinnen Iris Michel und Helene Reif ausgestellt werden. Michels «Generations: ‹Circle of life›», ist bereits jetzt in den UD-Räumen zu sehen.
Ab dem 29. Oktober werden dann Bilder des Fotografen Peter Pfister ausgestellt,
der auch für die AZ tätig ist. Gleich darauf folgen Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus der Kammgarn, darunter Katja Scheffer.
Was danach ausgestellt wird, sei noch offen, erklärt Dubach.
Kunstschaffende aus den Kammgarn-Ateliers gehören jedenfalls zur Zielgruppe, denen Dubach
und Greuter einen Ausstellungsraum zur Verfügung stellen wollen. Die Galerie würde damit auch weniger
bekannten Künstlerinnen ein Sprungbrett bieten.
Das Galeriekonzept könnte so auf lange Sicht funktionieren. Auch, weil Franziska Dubach und Tito Greuter dabei ein gutes Team bilden. Tito habe den Draht zu den Künstlerinnen und Künstlern, sie selbst arbeite sehr strukturiert, erklärt Dubach. «Wir ergänzen uns wunderbar», sagt sie.
Die Galerie ist deshalb für die beiden Kunstschaffenden auch ein Experiment, mit
dem sie herausfinden wollen, ob ein solches Vorhaben längerfristig klappt.
Wenn ja, dann wollen sie weitermachen, auch über den nächsten Sommer hinaus. «Allenfalls an einem anderen Ort», fügt Dubach hinzu. |